On Green Dolphin Street

Wie man gewisse Songs erst so richtig zum Grooven bringt, wenn man sie gesungen hat.

Im Gegensatz zu den Jazz-Nights in Langnau bleiben die Bands am Jazzworkshop in Matten bei Interlaken vier Tage zusammen. Neben zwei Instrument Clinics finden sechs Proben mit der Band statt. Das ermöglicht, die Songs genauer anzuschauen und intensiv zu üben. Jede der sechs Bandproben wird von einem anderen Coach betreut, alles Lehrpersonen am Konservatorium oder an der Jazzschule und Profimusiker. Ein paar Wochen im Voraus stellt Rolf Häsler Noten und Arrangements für die verschiedenen Instrumente zur Verfügung. So kann man sich schon etwas vorbereiten. Gerade für Neulinge wie mich ist dieses Konzept sehr angenehm, kann ich die Stücke doch zuvor mit Housi in der Bassstunde anschauen und auch bereits besondere Schwierigkeiten erkennen.

Nach dem Begrüssungsapéro am Donnerstagabend in der Hotellobby und dem anschliessenden Abendessen trafen sich die Bands ein erstes Mal in den im ganzen Hotel und anderen Gebäuden verteilten Übungsräumen. Meine Band probte im Restaurant der zu dieser Jahreszeit geschlossenen Curlinghalle. Yvonne und Koni kannte ich bereits von den Jazznights Langnau, Pascal am Piano und die Bläser sah ich zum ersten Mal. Wir diskutierten zuerst über die unserer Band zugeteilte Auswahl von Stücken, von denen wir schliesslich drei für das Konzert am Samstagabend auswählen sollten.

«On Green Dolphin Street» gefiel allen auf Anhieb und kam deshalb schon am Freitag auf die Shortlist für das Konzert. Der erste Teil wird im Bossa-Rhythmus gespielt, der zweite Teil ist Swing-phrasiert. Aber – der Song ist nicht ganz einfach zu spielen. Auch am Freitagnachmittag kämpften wir noch damit, den richtigen Groove zu finden. Zufällig coachte Housi Ermel diese Probe. Er hörte eine Weile zu, liess uns die Instrumente weglegen und zuerst die Basslinie, anschliessend die Melodie singen. Da schauten einige zuerst schon etwas schräg. Als wir dann aber wieder mit den Instrumenten spielten, begann der Song endlich Fahrt aufzunehmen.

Zufrieden packten wir nach der Probe unsere Instrumente ein. Nur Pascal sass noch am Piano und arbeitete am Intro, das gemäss Arrangement von der Rhythmusgruppe allein zu spielen war. Ob ich ihn nicht mit dem Bass unterstützen könnte, fragte er. Aber gerne. Auch Koni setzte sich wieder ans Schlagzeug. Das hörten auch die Bläser, die noch vor der Türe standen. Fritz kam wieder zurück, nahm die Posaune aus dem Koffer und begann mitzuspielen. Nach kurzer Zeit war die Band fast wieder vollständig und die Musik ging weiter. «Lasst uns zum Schluss doch noch einen Blues spielen», schlug jemand vor, nachdem wir alle Stücke wiederholt hatten, «am liebsten einen Blues in B-Dur.» Und so erlebte ich ein zweites Mal mit einer Band einen dieser magischen Momente (» Bye Bye Blackbird).

Als wir unsere Instrumente ein zweites Mal in die Koffer, Etuis und Taschen versorgten, sagte ich, wie gerne ich in einer Band spielen würde, um solch schöne Augenblicke öfters zu erleben. Dem stimmten auch die andern zu. Wir könnten uns ja einmal zwischen den jährlichen Workshops treffen, schlug ich vor, als wir feststellten, dass zur Zeit niemand in einer Band mitspielte und abgesehen von Pascal alle gar nicht so weit von Bern entfernt wohnten. Ich würde nach den Sommerferien alle kontaktieren und eine Terminumfrage machen, versprach ich.

In der letzten Probe vor dem Auftritt am Samstagabend wurden wir vom Rolf Häsler, dem Leiter des Jazzworkshops gecoacht. Seine lange Erfahrung mit Musikern jeden Alters, mit Anfängern und Profis und vor allem auch mit grossen Ensembles war jetzt genau das, was wir benötigten. Minutiös sprachen wir die Einsätze und Soli ab, bis alle genau wussten, wer wann was zu spielen hatte. Es liess sich auch niemand aus der Ruhe bringen, als vor unserem Auftritt kurz vor Mitternacht eine Klappe an Jean-Lucs Saxophon verklemmt war. Das Problem konnte im Nu gelöst werden. Dann stellte sich Rolf neben das Piano, schaute jedem von uns in die Augen, zählte an und schickte uns mit dem «Pink Panther» auf die Reise. Als er zufrieden lächelnd in unserem Rhythmus zu wippen begann, löste sich die Anspannung vollständig und wir konnten den Auftritt richtig geniessen.

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