Muffin Man

Wie ich dank Frank Zappa zur ersten E-Gitarre kam, aber trotzdem den Code für seine unverkennbaren Harmonien noch nicht knacken konnte.

«Shut Up ’N Play Yer Guitar» oder «Make A Jazz Noise Here» könnte der Titel dieses Kapitels ebenfalls lauten. Frank Zappa bietet mit den Titeln seiner Songs und Alben viele Anregungen. Ist er mein Vorbild? Nein, nicht wirklich, obschon ich gerne einmal einen seiner Songs spielen können möchte. Aber er ist indirekt schuld, dass ich eine elektrische Gitarre kaufte.

Im Chor des Besuchsdienst Bern bemerkte ich sofort, dass ich mit meiner klassischen Gitarre nur bei leisen Liedern einigermassen mit der Lautstärke des Chors mithalten konnte. Ich kaufte deshalb erst einmal für ein paar hundert Franken eine akustische Western-Gitarre mit Stahlsaiten. Sie klingt voll und warm und kann auch an einen Verstärker angeschlossen werden. In einer gepolsterten Tasche lässt sie sich auf dem Rücken leicht und – im Gegensatz zu den kostbaren Instrumenten – sorglos transportieren.

Eine «richtige» elektrische Gitarre hätte ich aber schon gerne auch einmal gehabt. Mein Freund Thomas bot mir an, seine Aria-Gitarre auszuleihen. Sie stehe bei ihm ohnehin nur unbenützt herum. Als grosser Fan hatte auch er erfahren müssen, wie schwierig Zappas Songs in seinem unverkennbaren Stil zu spielen sind. Da müsste man doch sehr lange den Mund halten, lernen und üben, meinte er trocken. Wenn ich dabei mehr Erfolg hätte, gönnte er mir das sehr.

Grundsätzlich erscheint mir der Plan, sich einen der zahlreichen Gitarrengötter zum Vorbild zu nehmen, wenig zielführend zu sein. Wohl gibt es viele Bücher und Kurse im Internet, die zeigen, wie man im Stil von Wes Montgomery, Joe Pass oder Fredy Green spielen lernt. Das ist nichts für Anfänger. Aber Thomas’ Angebot, mir seine E-Gitarre auszuleihen, nahm ich natürlich sehr gerne an. Ich kaufte noch einen kleinen Verstärker, und schon klang der Blues ganz anders. Doch damit wurde ich endgültig vom Virus angesteckt. Ich wollte eine eigene E-Gitarre.

Die Suche nach einem neuen Instrument ist fast so verlockend, wie damit zu spielen. Da bin ich wohl ein Kind geblieben, das sich immer wieder neue Spielsachen wünscht. Ich kann mich leicht für eine neue Gitarre oder einen Bass begeistern. Für Anfänger oder Wiedereinsteiger ist der Suchprozess aber nicht nur angenehm. Im grossen Musikhaus an der Spitalgasse waren die unterschiedlichsten Instrumente auf mehreren Etagen ausgestellt, zuoberst die Gitarren. Im Gitarrenhimmel mit je einem Raum für akustische und elektrische Gitarren hingen und standen die Instrumente Rücken an Rücken. Am liebsten schaute ich sie zuerst alle der Reihe nach in Ruhe an. Wie bei Motorrädern oder Autos ist das Aussehen das erste Auswahlkriterium, wohl wissend, dass letztlich der Klang, die Handlichkeit, technische Eigenschaften und vor allem das Spielgefühl entscheidend sind.

Wie schön, wenn nicht bereits ein Kunde da war, der in einer Ecke sitzend eindrückliche Soli rauf und run ter raspelte, komplizierte, schräge Akkorde spielte und den Verstärker ausreizte. Ob das aus Entdeckungslust geschah oder um Eindruck zu schinden, war schwierig zu beurteilen.

Ich gab mich beim Verkäufer sofort als Anfänger zu erkennen, liess mir verschiedene Instrumente zeigen und vorspielen, die er auf Grund meiner Angaben zum Musikstil und zum Budget vorschlug. Die in der engeren Wahl verbliebenen Instrumente konnte ich ausprobieren und vergleichen, wenn gerade niemand im Raum war. Die Verkäufer zogen sich diskret zurück und schauten nach einer Weile gelegentlich vorbei. Ich hatte auch gelernt, ein Geschäft ohne Kauf zu verlassen, was mir nicht leicht fiel, wenn sich ein kompetenter Verkäufer grosse Mühe gab und einem nichts aufschwatzen wollte. Ich wollte mir für den grossen Schritt Zeit lassen.

Am Geburtstagsfest eines anderen guten Freundes lernte ich dessen Cousin kennen, der in Baden ein Musikgeschäft und in einem alten Bauernhaus auf dem Land eine Reparaturwerkstatt für Saiteninstrumente führt. Gerne werde er meine alte akustische Gitarre anschauen, die in der Zwischenzeit doch etwas gelitten hatte, und natürlich auch die unterschiedlichen Genres und Marken der E-Gitarren zeigen und erklären. Ein Glücksfall, der die Schwellenangst überwinden half. Nach der Vorführung verschiedener Instrumente konnte ich in einem schalldichten Raum die Gitarren ohne Hemmungen ausprobieren und auch an unterschiedlichen Verstärkern manipulieren. So spürte ich nach und nach, welches Instrument am besten zu mir passte. Ich entschied mich für eine hellblaue Gibson E-335 und kaufte noch einen Röhrenverstärker, damit die Gibson so richtig schön clean und eben «jazzig» klingt.

Thomas, der Zappa-Experte, hatte daran ebenfalls seine Freude. Er schenkte mir ein Buch mit transkribierten Songs und Soli von Frank Zappa und versicherte, er wolle seine Aria-Gitarre noch gar nicht zurück. Also nahm ich sie ins Büro mit, um zwischendurch zu üben und zur Entspannung herumzufiedeln.

Mir geht es wie vermutlich allen Gitarristen. Ich möchte Rhythmusmuster, Tonfolgen oder ganze Soli meiner Vorbilder nachspielen und in eigene Improvisationen einbauen. Die Soli von Frank Zappa sind dafür zu schwierig, mit Ausnahme des «Muffin Man», allerdings nur das Leitmotiv und nicht das anschliessende atemberaubende Solo. Ich verstehe noch nicht, weshalb die Songs so unverkennbar nach Zappa klingen. Diesen Code muss ich noch knacken. Es gibt noch viel zu tun.

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